Das Arbeitgebermodell bei Assistenzbedarf

eine attraktive Lebensform für behinderte Menschen und ein spannendes Arbeitsfeld

Wer den Begriff Arbeitgeber/in hört, denkt dabei zunächst an ein größeres Unternehmen mit Angestellten. Doch auch Einzelpersonen können beim Finanzamt einen Betrieb anmelden und Personal einstellen. So werden Sie zum Arbeitgeber, bzw. zur Arbeitgeberin.

In Deutschland leben derzeit etwa 6,7 Millionen Menschen mit Behinderungen, davon 69,1% mit Behinderungen körperlicher Art. 1,7 Millionen dieser Personen gelten als schwerstbehindert (Statistisches Bundesamt, Erhebungsstand 31.12.2001). Sie sind in der Durchführung bestimmter praktischer Tätigkeiten des Alltags eingeschränkt. Dazu kann z.B. zählen, sich nicht (mehr) alleine waschen zu können, Hilfe im Haushalt zu brauchen oder Unterstützung bei Aktivitäten außer Haus zu benötigen.

Manche behinderte Menschen haben darüber hinaus Hilfebedarf in der Nacht. Beispielsweise dann, wenn es unmöglich ist, sich eigenständig umzudrehen oder zur Toilette zu gehen oder wenn medizinische Apparate, wie etwa Beatmungsgeräte im Auge behalten werden müssen. Früher waren Menschen mit einer starken Behinderung oft gezwungen im Heim zu leben. Das brachte natürlich erhebliche Einschränkungen mit sich. Der Tagesrhytmus ist in Heimen stark vorgegeben. Das Aufstehen und Zubettgehen wird durch das Personal bestimmt, ebenso wie die Essenszeiten oder die Freizeitmöglichkeien. Zuweilen gibt es sogar entwürdigende Bestimmungen wie feste Klozeiten für Menschen, die Hilfe beim Toilettengang benötigen. Der Alltag heißt warten und Geduld haben…

Eine große Veränderung brachten in diesem Zusammenhang die ambulanten Dienste. Diese Organisationen ermöglichten es Menschen mit Behinderungen erstmals in der eigenen Wohnung zu leben, auch wenn Sie einen hohen Hilfebedarf hatten. Mitarbeiter/innen der ambulanten Dienste kamen für eine begrenzte Zeit in die jeweiligen Wohnungen, um die erforderliche Hilfestellung, die Assistenz zu geben. Dieses Modell bedeutete natürlich einen enormen Zuwachs an individueller Lebensführung, da die ambulante Hilfe viel besser auf die Bedürfnisse der jeweiligen Menschen abgestimmt war. Dennoch hat die Arbeit der ambulanten Dienste auch organisationsbedingte Grenzen. Da zumindest manche ambulante Dienste mit Zivildientleistenden und Absolventinnen eines freiwilligen sozialen Jahres arbeiten oder “Springer” beschäftigen, gibt es in diesen Fällen häufigen Wechsel im Personal. Immer wieder müssen dann neue Personen eingearbeitet werden. Zudem ist die Assistenz nicht immer dann verfügbar, wenn sie auch wirklich gebraucht wird. So arbeiten längst nicht alle ambulanten Dienste in den späteren Abendstunden. Das heißt langes Warten und das Aufschieben von Bedürfnissen.

Wenn man sich jedoch zuvor über die genauen Arbeitsbedingungen der jeweiligen ambulanten Dienste informiert hat, entdeckt man unter den Anbietern eben die Dienste, die sich tatsächlich für ein Selbstbesimmtes Leben behinderter Menschen einsetzen.

Hilfe immer dann zu bekommen,

wann, von wem und wo sie benötigt wird, das war ein lang ersehntes Ziel der meisten Menschen mit Assistenzbedarf. Die Idee des Arbeitgebermodells war geboren. Nach diesem Modell stellen behinderte Menschen selbst Personen ein, die ihnen bei der Ausführung verschiedener Tätigkeiten unterstützend zur Seite stehen, die persönlichen Assistent/innen. Ein behinderter Mensch übernimmt damit die Verantwortung, aber auch die Freiheit eines Arbeitgebers, einer Arbeitgeberin.

Konkret heißt das:

Behinderte Menschen schreiben Stellenangebote für eine Assistenzstelle, führen Vorstellungsgespräche, arbeiten ihre ausgewählten persönlichen Assistent/innen selbst in die erforderlichen Tätigkeiten ein, stellen gesetzliche Arbeitsverträge aus und kümmern sich um die pünktliche Überweisung des Verdienstes. Die Arbeit schließt eine gesetzliche Sozialversicherung ein, sowie Urlaubsanspruch und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Dieses Modell ermöglicht Menschen mit Assistenzbedarf ein Leben nach den eigenen Vorstellungen. Sie können in ihrer eigenen Wohnung leben, nach ihrem persönlichen Tagesrhytmus. Sie können Ihrer Arbeit nachgehen, ihre Interessen pflegen oder auch verreisen.

Für behinderte Menschen bietet das Arbeitgebermodell also eine Reihe von Vorteilen.

Einige davon sind:

  • freie Auswahl der Assistenzpersonen
  • kein langes Warten und Aufschieben von Bedürfnissen
  • kein häufiger Wechsel der Assistenzpersonen
  • Leben in der selbst eingerichteten Wohnung
  • eigene Gestaltung des Tagesrhytmus
  • Verwirklichung von Wünschen in persönlicher und beruflicher Hinsicht
  • Selbstbewusster Anbieter/in einer attraktiven Arbeit

Und das ist noch nicht alles! Auch für alle Personen, die als Arbeitnehmer/in das Arbeitsfeld der ambulanten Hilfe kennenlernen möchten, bietet das Arbeitgebermodell viele Vorteile gegenüber anderen Formen der Assistenz.

Dazu gehört unter anderem:

  • individuelle Einarbeitung in alle anfallenden Tätigkeiten
  • keine Bindung an eine unpersönliche Organisation
  • Ausüben einer sozialversicherten Beschäftigung

Am Anfang kann dieses Modell für so manche Neueinsteiger/innen, ob Assistent/in oder Arbeitgeber/in, ungewohnt und kompliziert erscheinen. Aber es lohnt sich, Sie werden sehen! Der Neueinstieg mag zunächst wie ein steiniger Weg wirken, auf dem man zu stolpern droht. Doch wie es bereits Goethe so treffend formulierte:

“Auch aus Steinen, die Dir in den Weg gelegt werden, kannst Du noch was schönes bauen.”

In diesem Sinne. Viel Kraft und Mut beim Start ins Arbeitgebermodell!